SH Serafine

Patronatsfest

Mutter Seraphine


Patronin: Mutter Seraphine 

Seit 1997 ist das Seniorenhaus Serafine in Trägerschaft der Senioren­haus GmbH der Cellitinnen. Am 01. April 1967 wurde in Broichweiden, das damals noch nicht zur Stadt Würselen gehörte, der von den Schwes­tern der Liebe vom Kost­baren Blut errichtete Bau als Alten- und Pflege­heim in Betrieb genom­men. Nach Um- und Neubauten in den 1980er-Jahren erfolgte eine zeitgerechte Moderni­sierung. Zugleich entstand ein neuer Trakt mit betreuten Senioren­woh­nungen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entfalteten die Schwestern der Liebe vom Kostbaren Blut ihre Wirksamkeit auch in Deutschland mit Gründungen u.a. in Waldfeucht, Bad Rippoldsau, Freiburg und Hennef. Bereits seit 1933 waren Schwestern von den Niederlanden aus zur Mission nach ‚Niederländisch Indien‘ – dem späteren Indonesien- gesendet worden.

Von 1958 bis 1988 waren Ordensfrauen aus der deutschen Provinz auf der zu Indonesien gehörigen Insel Sumba tätig. Als ‚Pionierinnen‘ bauten sie ein System der Grundversorgung im medizinisch-pflegerischen Be­reich auf und kümmerten sich vor allem um die Belangen von Frauen und Mädchen durch Unterricht und Ausbildung. Die Werke der euro­päischen Schwestern waren in jede Weise fruchtbar: Nicht allein durch ihr Wirken an sich, sondern auch durch die einheimischen Schwes­tern der Kongregation, die diese Werke weiterführen.

          

Von ihrem Portraitbild geht etwas Besonderes aus. Im vergrößerten Maß­stab hängt es im Eingangsbereich des nach ihr benannten Senio­renhauses in Würselen-Broichweiden.

Die Gestalt der Ordensfrau ist nahezu ganz von der dunklen Schwes­tern­­tracht überdeckt. Umso mehr richtet sich der Blick auf die Gesichts­züge der Portraitierten. Es ist eine noch junge Frau mit hoch­liegenden Wangenknochen und ausdrucksstarken Augen, die am Be­trachter vorbei zu blicken scheinen. Ernst und gefasst schaut sie, wie jemand, der die Schattenseiten menschlicher Existenz kennt und erlebt hat. Andererseits wirkt ihr Antlitz sympathisch und vermittelt den Eindruck von Güte und Warmherzigkeit.

Vielleicht kann sagen, dass sich in diesem Portrait auch etwas von der Lebensgeschichte Gertrud Spickermanns, der späteren Mutter Sera­phine, widerspiegelt.

In dieser Biographie verdichten sich tatsächlich Erfahrungen von see­lischer Not schwer vorstellbaren Ausmaßes, dann aber auch die Gabe des Vertrauens, das Richtige mit Gottes Hilfe zu tun und den Mut zu haben, Neues zum Wohl von Menschen zu wagen.

Heute würden wir sagen, dass Gertrud Spickermann, die am 30. April 1819 geboren wurde, eine ‚schwere‘ Kindheit und Jugend hatte. Sie stammte aus Rheinbach, das heute zum rechtsrheinischen Teil des Rhein-Sieg-Kreises gehört. Damals war der Ort zwischen Vorgebirge und Eifelrand durch die neue preußische Obrigkeit zum Sitz der Verwaltung eines Landkreises bestimmt worden. Die 1816 etwa 1250 Einwohner lebten von Ackerbau und Landhandel. Gertrud wuchs in einer Familie auf, die in zwar sehr einfachen Verhältnissen lebte, aber immerhin über Eigentum an Grund und Boden verfügte. Die Eltern, Josepha Assenmacher und Adam Spickermann, hatten 1813 in Köln geheiratet. Nach der Geburt eines ersten Sohnes zog das Ehepaar nach Rheinbach in den Heimatort der Mutter. Sie hatte zwei kleine Häuser und nutzbare Ackerflächen geerbt. Gertrud war das dritte Kind, vier weitere kam bis 1830 zur Welt. Ob es die größer werdende Familie war oder andere Umstände eine Rolle spielten: Jedenfalls geriet das Leben der Familie Spickermann in eine bedrohliche Schieflage. Die Ehe der Eltern war nach dem Zeugnis des örtlichen Pfarrers zerrüttet. Es gab Streit und Auseinandersetzungen. Adam, der das Schusterhandwerk ausübte, schlug seine Frau. Jedenfalls scheinen auch finanzielle Probleme geherrscht zu haben. Die Mutter habe versucht, mit dem Mangeln von Wäsche etwas zu verdienen. Im Mai 1839 geschah dann die Katastrophe. An einem Sonntagmorgen wurde die Mutter im Stall aufgefunden, durch massive Gewalteinwirkung am Schädel verletzt, schon nicht mehr bei Bewusstsein. Ihr war nicht mehr zu helfen. Am frühen Nachmittag starb sie. So eindeutig wie die Zertrümmerung der Schädeldecke durch die nachfolgende Untersuchung festgestellt wurde, schien ebenso der Täter festzu­stehen: Alles sprach für – oder besser gegen- Adam Spickermann, auf den die Indizien zweifellos hindeuteten, zumal sein Verhalten, wie wiederum vom damaligen Pfarrer vermerkt, als „mitunter nicht zurech­nungs­fähig“ eingeschätzt wurde. Jedenfalls blieb das eingeleitete Ermitt­lungsverfahren mangels Beweises ergebnislos. Umso schlimmer müssen Not und Verzweiflung der Kinder gewesen sein. Wie bewältigt man ein solch schreckliches, unfassbares Geschehen? Welche Hilfe mag es damals gegeben haben? Der familiäre Zusam­men­hang war zerstört und verloren. Das Haus wurde aufgegeben, der Vater lebte aber weiter in einem angemieteten Zimmer in der Nachbarschaft. Drei der Kinder fanden sich in Köln wieder, darunter Gertrud. In welchem klösterlichen Institut sie dort Aufnahme gefunden haben soll, ist nicht bekannt. Konkret wird die Überlieferung zu ihrem Leben dann wieder für das Jahr 1842. Am 18. Oktober trat sie in die damals gerade fünf Jahre bestehende Gemeinschaft der „Schwestern der Liebe vom Heiligen Carl Borromäus“ in Maastricht ein, wozu auch die damals übliche Mitgift gehörte, die Gertrud einbringen konnte. Ihr Vater, der verarmt 1849 in Rheinbach gestorben ist, soll sie noch einmal in Maastricht besucht haben. Ob sie den Aussteuerbetrag auch deshalb leisten konnte, weil ihr durch den Verkauf des Elternhauses schon ein Erbteil zufiel, lässt sich vielleicht vermuten.

In Maastricht jedenfalls begann sie ihren Weg als Ordensfrau. Sie erhielt den Klosternamen ‚Seraphine‘[1]. Die Gründerin der Gemeinschaft, in der Seraphine dann auch nach dem Noviziat ihre Gelübde ablegte, war Elisa­beth Gruyters (1789-1864). Sie stammte aus der Nähe und gehörte zu den großen Persönlichkeiten der Caritas ihrer Zeit und ihrer Region. Mit 32 Jahren war sie nach Maastricht gekommen, um bei einer ver­mögenden Familie als Haushälterin zu arbeiten. Getragen und gestärkt durch ihre tiefe Frömmigkeit, ließ sich vom Schicksal notleidender Menschen berühren. Maastricht hatte stark unter den Auswirkungen der Napoleonischen Kriege zu leiden. Wirt­schaft­licher Niedergang, die Folgen von Kontributionen und Plünder­ungen wirkten sich besonders auf die Armen, Schwachen und Hilflosen aus. Im Zusammenwirken mit Dechant van Baer, Pfarrer an der St. Servatius, konnte sie dann 1837 Ihre Gründung vollziehen. ‚Zusters Onder de Bogen‘ – ‚Schwestern unter dem Bogen‘, so wurden sie nach ihrem 1845 bezogenen Mutterhaus in der alten Propstei von St. Servatius bald ge­nannt. Der ‚Bogen‘ aus dem Mittelalter verbindet bis heute den West­bau der Servatiusbailika mit dem Mutterhauskomplex. Die Schwes­tern wid­meten sich zunächst der Pflege und Versorgung von Kranken, alten Men­schen und auch der Waisen­betreuung.

Im Alter von 27 Jahren übernahm Schwester Seraphine dann die Leitung des Waisenhauses in der Maastrichter Lenculenstraat. Zehn Jahre sollten es werden und offenbar meisterte sie ihren Dienst sehr gut. So war es dann sicher schlüssig, dass Mutter Elisabeth sie mit der ersten Filialgründung der ‚Schwestern unter dem Bogen‘ im 30 Km entfernten Sittard beauf­tragte. Mit sechs Mitschwestern traf sie dort im Oktober 1857 ein. Die Stadtverwaltung stellte den Ordensfrauen das ehemalige Kloster der Dominika­nerinnen St. Agnetenberg zur Verfügung. Das Gebäude hatte bereits unmittelbar nach der Säkula­risation 1802 als städtisches Armenhaus gedient. Jahrelang war aber zur Instandhaltung nichts unternom­men worden, so dass Seraphine und ihre Mitschwestern zunächst mit aller Mühe das völlig verwahrloste Gebäude herrichten mussten. Dann aber konnte man ans Werk gehen: Kernaufgabe war eine Kinderbewahrschule, die Aufnahme von Waisen kam hinzu. Neben interner und externer Krankenpflege wurden alte Menschen versorgt. Unter Seraphines Leitung erwarben sich die Schwestern durch ihr Engagemant bestes Ansehen. Bei aller Anspruchslosigkeit und Armut der Ordensfrauen aber drohte die Neugründung zu scheitern, da die Einkünfte nicht annähernd kos­ten­­­deckend waren. Das Mutterhaus leistete zwar Unterstützung, Ver­handlungen mit der Stadt zur Verbesserung der Bedingungen führten jedoch nicht weiter, so dass die Schließung der Aufgabe unabwendbar schien. Nun schaltete sich der Sittarder Dechant Roersch ein. Er hatte bei der Gründung bereits mitgewirkt und handelte im Interesse der Bevölkerung. Appelle und Bitten zum Bleiben der Schwestern hatte es schon gegeben. Vielversprechend erschien ihm der 1862 eingeschla­gene und letztlich auch erfolgreiche Weg, die Niederlassung vom Mutter­haus in Maastricht zu trennen und als eigenständige Gemeinschaft weiterzu­führen. Dazu benötigte er die Zustimmung des Roermonder Bischofs Paredis, die er auch erhielt. Allerdings kam es dabei neben dem Gutheißen des Diözesanbischofs vor allem auf Schwester Se­raphine selbst an. Denn letztlich war es ihre mutige Entscheidung in Sittard zu bleiben, wozu sie Hilfe im Gebet suchte und den Willen Gottes im Ausharren und Weiter­machen erkannte. Bestärkt wurde sie auch durch Mutter Elisa­beth, die sich der Entscheidung des Bischofs nicht verweigern wollte. Nicht zuletzt fand Seraphine Rückhalt bei ihren Mit­schwestern, denen es freigestellt wurde, zu bleiben oder nach Maastricht zurückzu­kehren. Zwei von Ihnen kamen zu diesem Ent­schluss, zwei neue Kandidatinnen aber kamen zugleich wieder hinzu. Zwei Jahre später umfasste die Kommunität bereits 16 Ordensfrauen, was für den guten Geist spricht, der nach Außen und Innen gewirkt haben muss. Nach der bischöflichen Erlaubnis im Juni 1862, erfolgte bereits zwei Jahre später die Anerkennung der neuen Gemeinschaft als juristische Person. Allen weiter bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten zum Trotz, gelang es Schwester Seraphine, den Wirkungskreis ihrer Schwes­tern zu festigen und auszudehnen. 14 weitere Jahre der Hingabe an ihre Aufgabe blieben ihr. Sie starb am 17. August 1876 in dem mit großen Mühen erbauten Kloster Koningsbosch, der wichtigsten Neugrün­dung der ersten Jahre, die noch von Seraphine auf den Weg gebracht wurde und später zum Mutterhaus der 1890 päpstlich approbierten Kon­gre­gation werden sollte.

Den Menschen solidarisch zur Seite zu sein, zu dienen, wie Christus selbst den Menschen gedient hatte – das war ihr und ihrer Mit­schwestern Programm. Sie hatte Mut, gepaart mit Gottvertrauen und ist eine zeichenhafte und vorbildgebende Gestalt christlicher Nächstenliebe.   



[1] Das ist die weibliche Form von ‚Seraph‘. Die im Plural ‚Seraphim‘ genannten Engel umstehen  nach der Vision des Propheten Jesaja (6,1-7) den Thron Gottes und lobpreisen ihn.  Ihr Gesang findet sich im ‚Sanctus‘ der Liturgie wieder: „Sie riefen einander zu: Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt“ (Jes 6,3).