Ich hatte das Glück, in der Kindheit und Jugendzeit fast täglich ein kleines Abschiedsritual zu erleben. Meine Mutter war fest überzeugt: Ihren Kindern tue es gut, wenn sie uns vom Balkon aus nachwinkt. So drehte ich mich winkend um, auf dem Weg zur Schule oder auch nachmittags unterwegs zum Spielen oder Einkaufen. Das Winken war Tradition geworden, aber es war keine leere Geste, sondern Ausdruck der Verbundenheit. »Das Winken, diese sanfte Handbewegung, überwindet noch mal den Abstand«, sagte meine Mutter. »Wenn zwei Hände sich noch suchen und berühren wollen, entsteht eine Bewegtheit, etwas Lebendiges. Aber sofort müssen wir es akzeptieren, dass wir uns schließlich aus den Augen verlieren. Wir müssen unseren Weg weitergehen, allein oder mit anderen.«
aus: Vom Anfang im Ende, Ein Trostbuch für Tage in MollAnfang und Ende
Alles hat seine Zeit,
seinen urewigen Rhythmus:
Auf und Ab,
Kommen und Gehen,
Anfang und Ende.
Zeit, mich zu füllen,
um mich zu verströmen.
Zeit auszuruhen,
um entschlossen zu handeln.
Zeit zuzuhören,
um offen zu sprechen.
Zeit, traurig zu sein,
um trösten zu können.
Zeit, Schmerz zu fühlen,
um Schmerz zu verstehen.
Zeit, Liebe zu empfangen,
um Liebe zu geben.
Zeit zu blühen,
um Frucht zu tragen.
Mein Leben
im Rhythmus der Zeit:
Hoch und Tief,
Suchen und Finden,
Anfang und Ende.