Als ich kürzlich ein Arzteseminar zum Thema »Abhorchen« besuchte, zogen wir alle unser Stethoskop hervor und hörten mehrere Minuten unserem eigenen Herzen zu. Alle Teilnehmer waren mittleren Alters, und anfangs diagnostizierte erst einmal jeder sich selbst und horchte ängstlich, ob vielleicht eine gespaltene S1, ein dritter Herzton oder das Raunen einen arteriosklerotischen Herzklappe zu hören war. Aber mit der Zeit gingen wir über all das hinaus und hörten etwas Zuverlässiges in der Mitte unseres Lebens, das schon immer da gewesen war, selbst bevor wir eine menschliche Form angenommen hatten. Unser Leben und das Leben jedes anderen Menschen hing davon ab.
Es war eine tiefgehende und unbeschreibliche Begegnung mit dem Geheimnisvollen. Die meisten von uns waren davon tief berührt. Wir hatten alle seit Jahren Herzen abgehorcht und diagnostiziert, aber niemand von uns hatte schon einmal so etwas erfahren. In diesen Momenten hatten wir einen flüchtigen Blick auf etwas geworfen, das über unsere gewohnte Weise zu sehen und zu hören hinausging, und wir wussten, dass das, womit wir es hier zu tun hatten, das Leben selbst ist: Einer von jenen Momenten, die mein Großvater gesegnet hätte.
RACHEL NAOMI REMEN